Neljo (9 Jahre): 

Warum muss ich in die Schule gehen?

Die Sommerferien sind zu Ende und der Schulalltag bestimmt wieder das Familienleben. Einige Kinder sind gern in das neue Schuljahr gestartet, andere gar nicht. Aber wieso müssen wir überhaupt zur Schule?

Die Schule ist entstanden, als es nicht mehr genügte, dass der Sohn beim Vater und die Tochter bei der Mutter lernte. Es war früher so, dass die Kinder einfach dasselbe taten wie die Eltern. Also wurde der Sohn des Bauers ebenfalls Bauer. Die Tochter guckte sich von der Mutter ab, was sie fürs Leben brauchte: kochen, Kinder hüten und all das andere. Die Mitarbeit bei den Eltern begann schon in ganz jungen Jahren. Deshalb sagt man auch, in früheren Jahrhunderten habe es keine Kindheit gegeben.

Vater und Mutter gaben also direkt an ihre Kinder weiter, was sie wussten und konnten – so viel, aber auch nicht mehr. Und wenn es immer so weitergegangen wäre, hätte noch heute jede Familie eine Art Familienberuf. Die einen würden immer nur Schuhe reparieren oder Körbe flechten, die anderen nur Tische schreinern oder Bauern sein. Allein die Geburt, also die Familie, in die man hineingeboren wurde, entschied darüber, was man tat und welchen Platz man im Leben einnahm. Ein Bauer blieb Bauer, und ein Adeliger heiratete nicht unter seinem Stand. Man kann sich vorstellen, dass damit ein Haufen Ungerechtigkeiten verbunden waren.

Nun wurden vor zirka 200 Jahren tiefgreifende gesellschaftliche Entwicklungen angestossen: In der Zeit der Aufklärung debattierten viele kluge Leute über die Unmündigkeit (Abhängigkeit) des Volkes und verlangten nach mehr Bildung. Jeder, nicht nur der Adelssohn, sondern auch der des armen Schusters, sollte ein Recht darauf haben, etwas zu lernen (Recht auf Bildung).

 

Über die Schulpflicht hat man lange diskutiert. Die Landbevölkerung, der die Schule besonders nützen sollte, wehrte sich heftig dagegen. Warum nur? Wollten die Bauern und Bäuerinnen etwa nicht, dass ihre Kinder lesen und schreiben lernten? Es hatte einen anderen Grund: Die Eltern brauchten die Kinder als Arbeitskräfte, als Hilfen bei der Feld- und Erntearbeit.

In der Schweiz war der Schulbesuch stets kantonal geregelt. Im 19. Jahrhundert führte ein Kanton nach dem anderen eine mehr oder weniger umfassende Schulpflicht ein. Im Jahr 1874 bestimmte dann die Schweizer Bundesverfassung über eine allgemeine Schulpflicht. Ein achtjähriger Schulbesuch für alle Mädchen und Buben wurde obligatorisch.

Die Schule hat sich weltweit durchgesetzt. Es sorgt für mehr Gerechtigkeit. Nicht mehr die Geburt bestimmt den Platz in der Gesellschaft, sondern vielmehr Fähigkeiten und Wissen jedes Einzelnen. Auch wenn man sich also über Hausaufgaben ärgern kann, ist die Schule im Allgemeinen ein Erfolgsmodell!

Aus:

Janssen, U. & Steuernage, U. (2008). Die Kinderuni: Forscher erklären die Rätsel der Welt (Band 1). Deutscher Taschenbuch Verlag dtv.

Grunder, H.U. (2012). Primarschule. Historisches Lexikon der Schweiz hls, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010402/2012-06-14/.

 

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