
Von Marathon nach Freiburg
Gesellschaft, Recht & Kultur | Crashkurs | SDC32
Für alle FR
14:00 Uhr – Dauer 30 min
Miséricorde | MIS04, 1. Stock, Raum 4124
Der berühmte Murtenlauf zieht jedes Jahr Tausende von Teilnehmer_innen an. Er geht auf eine faszinierende Überlieferung zurück, wonach ein Bote von Murten nach Freiburg lief, um den Sieg der Schweiz nach der Schlacht bei Murten 1476 zu verkünden. Doch woher stammt diese Geschichte? Historische Fakten oder Legende?
Zwei heroische Überlieferungen, die zwei Jahrtausende auseinanderliegen – der Bote von Marathon (490 v. Chr.) und der Murtenläufer (1476) –, weisen frappierende Parallelen auf: eine übermenschliche Leistung zur Verkündigung eines militärischen Siegs, gefolgt von einem glorreichen Tod. Dabei handelt es sich bei beiden Geschichten um spätere Konstruktionen. In Athen wurde der sterbliche Marathonläufer erstmals im 2. Jahrhundert n. Chr. von Plutarch erwähnt. In einem Akt kulturellen Widerstands unter römischer Herrschaft verwandelte dieser den braven Pheidippides in einen sterbenden Hopliten. In Freiburg kam die an Marathon angelehnte Legende des Murtenläufers im 18. Jahrhundert auf. Sie wurde von Voltaire, Michaud und Dumas genährt und ist im kollektiven Gedächtnis durch die Symbolik der Linde verankert. In beiden Fällen wurde das Bild des Läufers, unabhängig vom Wahrheitsgehalt, zum Gründungsmythos, der dazu diente, die Identität und den Zusammenhalt der Gemeinschaft zu fördern.