Publikationsdatum 08.11.2022

Französische Theologin für die Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche geehrt


Die Professorin Marie-Jo Thiel von der Universität Straßburg erhält die Ehrendoktorwürde. Die Theologische Fakultät der Universität Freiburg möchte damit ihr grosses Engagement in der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche belohnen. Der Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss erhält ebenfalls eine der insgesamt fünf Auszeichnungen. Präsidiert wird die Veranstaltung von Bundesrätin Viola Amherd.

Marie-Jo Thiel studierte Medizin und römisch-katholische Theologie. Seit 1999 ist sie Professorin für Moraltheologie mit den Schwerpunkten Ethik und Bioethik an der Universität Straßburg. 2017 wurde Thiel von Papst Franziskus in die Päpstliche Akademie für das Leben berufen. Anfang 2019 publizierte sie eine umfassende Studie über den sexuellen Missbrauch an Minderjährigen in der katholischen Kirche.

Bei der gegenwärtigen Krise handelt es sich um einen Doppelskandal des sexuellen Missbrauchs und seiner Vertuschung. Dieser rührt an die Grundfesten des kirchlichen Lebens. «Marie-Jo Thiel hat mit ihren Arbeiten wesentlichen Anteil an der grundständigen Aufarbeitung aus theologisch-ethischer Perspektive geleistet und leistet damit einen unverzichtbaren Beitrag, dass Kirche und Theologie wieder glaubwürdig werden können», schreibt die Theologische Fakultät der Universität Freiburg in ihrer Begründung.

Europäischer Gedanke und weltweiter Einsatz für Menschenrechte
Seit den 1990er Jahren ist Lukas Bärfuss Freiburg verbunden, als er hier im Buchhandel tätig war und mit dem Schreiben begonnen hat. «Sein literarisch-essayistisches Werk ist leitenden Ideen unserer Universität verpflichtet, insbesondere dem europäischen Gedanken», schreibt die Philosophische Fakultät. Mit seinem vielseitigen Werk, seinen Theaterstücken, Romanen, Erzählungen und Essays, habe Lukas Bärfuss in den vergangenen zwei Jahrzehnten impulsgebend zu vielen gesellschaftlichen Debatten beigetragen, breite öffentliche Beachtung und ebenso national wie international grosse Anerkennung gefunden.

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät ihrerseits Freiburg verleiht Frau Doris Angst das Ehrendoktorat honoris causa für ihre aussergewöhnlichen Verdienste im Bereich des Schutzes der Menschenrechte im Allgemeinen und vor Diskriminierung im Besonderen. Doris Angst leistete wesentliche Beiträge zur Bekämpfung des Rassismus und aller Formen der Abwertung und Benachteiligung von Menschen – in der Schweiz und in Europa. Die Fakultät unterstreicht auch ihre wissenschaftlichen Leistungen im Bereich der internationalen Verpflichtungen zum Schutz von Minderheiten und ihre Unterstützung des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte sowie für die Schaffung der künftigen unabhängigen nationalen Menschenrechtsinstitution.

Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät verleiht ihre Ehrendoktorwürde an Prof. Dr. Klaus Schmidt von der Ludwig-Maximilians-Universität in München für mehrere bahnbrechende Beiträge zur Wirtschaftstheorie und Verhaltensökonomie. In seiner Forschung hat er fundamentale Beiträge zur Vertragstheorie und Verhaltensökonomie, insbesondere der Theorie sozialer Präferenzen, geleistet. Sein Gesamtwerk mache ihn zu einem der bedeutendsten deutschsprachigen Ökonomen, betont die Fakultät.

Medizinische Immunologin ausgezeichnet
Die Mathematisch-Naturwissenschaftliche und Medizinische Fakultät schliesslich zeichnet die italienisch-schweizerische Doppelbürgerin Federica Sallusto aus. Die Professorin der ETH Zürich und Forscherin am Istituto di Ricerca in Biomedicina (IRB) in Bellinzona, ist eine der weltweit führenden Expertinnen für die Biologie menschlicher T-Zellen. T-Zellen sind ein wichtiger Bestandteil des erworbenen Immunsystems. Sie bilden eine Untergruppe der weissen Blutzellen, der Leukozyten. Sallusto habe entscheidend zu unserem aktuellen Verständnis der T-Gedächtniszellpopulationen beigetragen. Diese Kenntnisse waren während der Corona-Pandemie für die Entwicklung von Impfstoffen und die Bewertung der Schutzkapazität von grosser Bedeutung, so die Fakultät. Professorin Sallusto ist ein aktives Mitglied des Forschungsprogramms «Cell Migration», das die Universitäten Bern und Freiburg sowie das IRB verbindet.

Bundesrätin amtet als Ehrenpräsidentin
Der traditionelle Dies Academicus kann zum ersten Mal seit 2019 wieder ohne Restriktionen durchgeführt werden. 2020 wurde die Zeremonie abgesagt, 2021 mit Zertifikatspflicht durchgeführt. Bundesrätin Viola Amherd amtet als Ehrenpräsidentin und wird ebenfalls eine Ansprache halten. Die Vorsteherin des VBS erhielt 1987 ihren Abschluss in Rechtswissenschaften in Freiburg und war bis zu ihrer Wahl in die Landesregierung Mitglied des Senats, des obersten beschlussfassenden Organs der Universität.

Einige neue Gesichter werden zudem ans Rednerpult treten. Sowohl für Staatsrätin Sylvie Bonvin-Sansonnens als Direktorin für Bildung und kulturelle Angelegenheiten als auch für den Oberamtmann des eingeladenen Seebezirks, Christoph Wieland, ist es eine Premiere. Beide wurden 2021 in ihre jeweilige Funktion gewählt. Nebst den Ehrendoktortiteln an verdiente Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Politik und Gesellschaft werden am Dies Academicus verschiedene wissenschaftliche Auszeichnungen und Preise an talentierte Nachwuchsforschende verliehen.

Konferenzen der neuen Ehrendoktoren:
> Marie-Jo Thiel: Eine synodale Kirche, verwundbar und offen für geschwisterliche Fürsorge. 14.11.2022, 17:15 Uhr, Bd de Pérolles 90, PER 21 / Raum G120
> Lukas Bärfuss: Vortrag «Wie wollen wir leben?». 14.11.2022, 17:15 Uhr, Bd de Pérolles 90, PER 21 / Raum A140
> Doris Angst: Die Umsetzung des UN-Übereinkommens gegen Rassendiskriminierung ICERD – Wo liegen die Herausforderungen für die Schweiz? 23.11.2022, 16:45 Uhr, Avenue de l'Europe 20, MIS 03 / Raum 3115
> Klaus Schmidt: The Design of International Climate Negotiations. 14.11.2022, 17:15 Uhr, Bd de Pérolles 90, PER 21 / Raum G140
> Federica Sallusto: . 14.11.2022, 17:15 Uhr, Bd de Pérolles 90, PER 21 / Raum A120

Fotos:
Die Fotos der Veranstaltung, der Ehrendoktorinnen und -doktoren sowie der Preisträgerinnen und Preisträger stehen ab dem 15. November, 17 Uhr auf der Webseite www.unifr.ch/go/dies zum Herunterladen zur Verfügung. Bitte berücksichtigen Sie dabei das Copyright (Jessica Genoud / https://www.jessicagenoud.com).

Mehr Informationen:
> Website des Dies academicus