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Techniken der Fantastik mögen auf den ersten Blick hauptsächlich den Horizont der Zukunftserzählung und der Science Fiction eröffnen, in der Menschen unter utopischen oder dystopischen Bedingungen ihre Lebenswelt gestalten. Das technisch erklärbare Wunderbare scheint definitorisch insgesamt am Rand des fantastischen Erzählens im engeren Sinne zu stehen, wie etwa Tzvetan Todorovs Bestimmung des ‚merveilleux instrumental‘ nahelegt. Fantastische Techniken spielen aber auch in der High und Urban Fantasy, in fantastikaffinen Genres wie Horror, romantischen Schauererzählungen und sogar in Märchen- und Abenteuerromanen oft eine wichtige Rolle. In zahlreichen fantastischen Kontexten sind Techniken untersuchbar, sei es motivisch als Abgrenzung zur Magie, als alternative Motivationsformen des Wunderbaren (vgl. Uwe Durst), auf erzähltechnischer Ebene als literarische und ästhetische Verfahrensweise, etwa mit der Technik des unzuverlässigen Erzählens und andern stilistischen oder (meta-)fiktionalen Strategien (vgl. z.B. Denis Mellier; Christine Brooke-Rose), sei es als produktionsästhetischer Aspekt zur Kreation fantastischer Welten (Special Effects), als integraler Bestandteil fantastischer Erzählwelten, z.B. in Form eigenartig beseelter Automaten der Romantik oder als fantastisches Gadget und plot device der Science Fiction.
Fantastik ist bei näherem Hinsehen ohne ihre Techniken überhaupt schwerlich denkbar. Dabei lassen sich für die Themenstellung der Jahrestagung folgende fünf Bereiche als heuristische Orientierungsstütze umreissen:
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1. Technik als Motiv und Gegenstand
Zunächst ist Technik als Motiv und Gegenstand fantastischer Gebilde und/oder Erzählwelten untersuchbar. Ausgehend von romantischen Topoi wie Automaten, Mesmerismus, geisterhaften Projektionen oder okkult-wissenschaftlichen Motiven der Gothic literature (Frankenstein) erweist sich Technik als eine Variante der Überschreitung des Menschenmöglichen. Darüber hinaus lassen sich Bezüge herstellen zu den Technologien der Bewohner fantastischer Erzählwelten (z.B. die technikaffinen Zwergenvölker Tolkien-derivierter High Fantasy, oder auch in Computerspielen) sowie zu völlig von einem Technologietypus bestimmten Genres (Cyberpunk). Als Denkanstoss kann das häufig dialektische Verhältnis von Technik und Magie gelten (z.B. in Auguste de Villiers-de l’Isle d’Adam L’Ève future oder Edward Bulwer-Lytton The Coming Race). Der Bezug von Magie-Technik zur High Fantasy wird zum Beispiel in der industriellen Verwüstung der Natur durch den Zauberer Saruman in Herr der Ringe sichtbar, aber auch in Techniken des Weltwechsels (etwa der „Hogwarts-Express“). Dieser Aspekt trifft in besonderer Weise auf Science Fiction zu, wo Techniken vom „Warp-Antrieb“ über denkende Roboter (z.B. in den Werken von Isaac Asimov und Stanisław Lem) bis zur neuronalen Totalsimulation (vgl. The Matrix) zum Einsatz kommen. Diese finden sich in parahistorischen Narrativen (speziell in den auch durch Technologie markierten, wie z.B. in den kontrafaktischen Erzählwelten von Christian Krachts Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten).
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2. Wechselwirkung von realen und fiktionalen Erfindungen
Zweitens wäre auch der kultur- und technikhistorische Zusammenhang von bestimmten realgeschichtlichen Entwicklungen und ihrer fiktionalen Anverwandlung und/oder Antizipation ein wesentlicher Aspekt. Diese Wechselwirkung von realen und fiktionalen Erfindungen spielt seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine ganz entscheidende kulturgeschichtliche Rolle (vgl. die Geschichte des bewegten Bildes oder den Diskurs zum Trans- und Posthumanismus).
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3. Literarische ‚Technik’
Drittens gehört zum Fokus der Jahrestagung die literarische ‚Technik’ als ästhetische Verfahrensweise fantastischer Gebilde. Dabei geht es um Fragen der darstellungs- und erzähltechnischen Mittel, wie unzuverlässiges oder multiperspektivisches Erzählen, erzählerische Kurzschlüsse wie Metalepsen, Briefromane und -erzählungen im fantastischen Erzählen, das Verhältnis von immersivem Darstellungsrealismus und fantastischen Welten, und, in neuerer Zeit, das Auftreten postmodern-ironisch gewendeter ,Meta-Fantastik‘, wie etwa bei Julio Cortázar oder Kurt Vonnegut, Thomas Pynchon oder Ulrike Draesner.
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4. Mediale oder künstlerische Produktionstechniken
Zudem verweisen all diese Themen auch auf die verwendeten medialen oder künstlerischen Produktionstechniken. Zu untersuchen und in ihren historischen und systematischen Hinsichten darzustellen wären insbesondere audio-visuelle Produktionstechniken der Erzeugung von Fantastik. Besonders zu wünschen wären hier medienkomparatistische Ansätze (sei es zu Special Effects, CGI oder ‚augmented‘ reality).
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5. Kulturtechniken
Fünftens und letztens sind Kulturtechniken im rezeptiven Umgang mit Fantastik in den Blick zu nehmen. Dazu gehören kulturelle Verarbeitungs- und Umgangsweisen in Konfrontation mit fantastischen Gebilden. Neben bekannten Strategien wie etwa der allegorisierenden Lektüre von Fantastik gehören hierher auch transfiktionale Erweiterungen von fantastischen Welten, Fankultur (Cosplay), die rabbit holes der Alternate Reality Games-Kultur und Weiteres.
Der Konferenzort, die Universität Freiburg (Schweiz) befindet sich auf der Grenze zwischen dem deutschen und französischen Sprachraum. Die Tagung wird organisiert von der hiesigen Germanistik in Zusammenarbeit mit dem Institut für Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft und widmet sich insbesondere dem komparatistischen Austausch. Akzeptiert werden deshalb in diesem Jahr Abstracts und Beiträge in deutscher, englischer und französischer Sprache.
Einreichungen
Einsendefrist für Abstracts und Kurz-Bio: 28. Februar 2018.