Politische Kommunikation in und über Krisen

Von der Finanz- und Wirtschaftskrise, dem Syrien-Krieg, terroristischen Anschlägen über die Flücht-lingskrise bis hin zu einer möglichen Vertrauenskrise von Politik und Medien – Krisen scheinen ein zentraler und immer gegenwärtiger Bestandteil unseres modernen Lebens zu sein.

Die Abfolge und die Dynamiken von Krisen stellen die politische Kommunikation vor Herausforderungen. Zum einen stellt sich die Frage, wie politische Akteure, Medien und Bürgerinnen und Bürger kommunikativ mit Krisensituationen umgehen. Zum anderen besteht auch die Möglichkeit, dass sich das Verständnis von politischer Kommunikation durch die letzten politischen und wirtschaftlichen Krisen verändert hat. Welche Forschungsfragen müssen vor dem Hintergrund solcher Krisen in der politischen Kommunikationsforschung adressiert werden? Wie lassen sich unterschiedliche Ebenen und Dimensionen von Krisen, von der lokalen über die nationale bis zur internationalen und globalen Perspektive in der Forschung berücksichtigen?

Die Bearbeitung solcher und weiterer Fragen zu politischer Krisenkommunikation ist das Thema der Jahrestagung. Für die Tagung wird ein breites Verständnis von politischer Krisenkommunikation vorgesehen, das sowohl die Kommunikation über politische Krisen als auch die politische Kommunikation über andere Krisen (z.B. Naturkatastrophen) umfasst. Ziel der Jahrestagung ist es, die aktuelle Rolle politischer Kommunikation in und über Krisen zu bestimmen und zu analysieren. Dies geschieht in fünf Themenschwerpunkten.

  • Schwerpunkt 1: Konzeptionelle Auseinandersetzungen mit politischer Krisenkommunikation

    Dieser Themenschwerpunkt beschäftigt sich damit, was eigentlich unter einer Krise aus Perspektive der politischen Kommunikation zu verstehen ist und welche theoretischen Ansätze sich zur Konzeption politischer Krisenkommunikation eignen. Wie werden Krisen in der politischen Kommunikation konstruiert? Ab wann können wir von einer Krise aus Sicht politischer Kommunikation sprechen? Gibt es in der politischen Kommunikation noch Unterschiede zwischen Krisen- und Nicht-Krisenzeiten? Oder sind Krisen politischer Alltag und eine spezifische Beschäftigung damit obsolet? In diesem Schwerpunkt sind auch Beiträge willkommen, die sich mit möglichen Unterschieden zwischen der Kommunikation über dezidiert politische Krisen und politischer Kommunikation über andere Formen von Krisen beschäftigen. Da die Forschung zur Krisenkommunikation stark in der PR-Forschung und Organisationskommunikation verankert ist, sind in diesem Schwerpunkt Beiträge eingeladen, die sich damit auseinandersetzen, inwieweit Konzepte aus diesen Forschungsbereichen für die politische Krisenkommunikation übernommen werden können und welche theoretischen Ansätze sich genuin für die Analyse von Krisen in der politischen Kommunikationsforschung eignen. Auch Beiträge zur Frage, wie nützlich frühere Paradigmen für die Anwendung auf aktuelle Fälle politischer Krisen sind, fallen in diesen Schwerpunkt.

  • Schwerpunkt 2: Die Kommunikation von politischen Akteuren in Krisen

    Eine Krisensituation stellt alle beteiligten Akteure vor kommunikative Herausforderungen. In diesem Schwerpunkt sind daher Beiträge willkommen, die sich mit der Rolle und den Kommunikationsstrategien verschiedener politischer Akteure in Krisen auseinandersetzen. Dabei sind sowohl Politiker und Parteien gemeint als auch zivilgesellschaftliche Akteure (z.B. NGOs). Wie wird mit dem Begriff der Krise in der strategischen politischen Kommunikation gearbeitet und wie gestalten politische Akteure den Umgang mit Krisen (Stichwort Krisenmanagement)? Welche Rolle spielen dabei zum Beispiel Professionalisierung und Personalisierung und welche kommunikationspolitischen Folgen können Krisen zeitigen? Zudem stellt sich hier die Frage, ob sich überhaupt noch Unterschiede in der Kommunikation von politischen Akteuren in Krisen- und Nicht-Krisenzeiten feststellen lassen. Oder sind Krisen für politische Akteure zum Alltag geworden? Auch die Auseinandersetzung damit, in welchen Opportunitäts- und Machtstrukturen sich politische Akteure während einer Krisensituation befinden und wie dies ihre Kommunikationsstrategien beeinflusst, ist Teil dieses Schwerpunkts.

  • Schwerpunkt 3: Politische Medienberichterstattung über Krisen

    Wie berichten Medien über politische Krisen und welche Rolle nimmt der politische Journalismus in Krisensituationen ein? Um diese Frage geht es in Schwerpunkt 3. Hier können Beiträge verortet werden, die sich mit dem Vergleich der politischen Berichterstattung über verschiedene Krisen, in verschiedenen Medien und in unterschiedlichen Ländern beschäftigen als auch Zeitvergleiche, die die Dynamik der Krisenberichterstattung nachvollziehen. Die Dynamik der Berichterstattung über Krisen hat sich durch Online-Kommunikation stark gewandelt. Social Media wie z.B. Twitter verbreiten inzwischen häufig Breaking News über Krisen und dies teilweise bevor traditionelle Massenmedien dies tun (können) (z.B. bei Terroranschlägen). Beiträge, die sich mit der Rolle dieser Kommunikationskanäle, auch im Zusammenspiel mit traditionellen Massenmedien, beschäftigen, sind in diesem Schwerpunkt willkommen. Ein weiterer Fokus liegt auf dem politischen Journalismus und den spezifischen Anforderungen an Journalisten bei der Berichterstattung über Krisen. In welcher Rolle sehen sich Journalisten, wenn sie über Themen wie die Flüchtlingskrise berichten, und vor welchen Herausforderungen stehen sie? Wie unterscheiden sich die Arbeitsroutinen politischer Journalisten bei der Berichterstattung über Krisen von der Berichterstattung über andere politische Themen? Auch Analysen zur Rolle von Ethik in der Krisenberichterstattung, die sich möglicherweise auch durch technische Möglichkeiten (Algorithmen, Bots etc.) verändert, fallen in diesen Schwerpunkt.

  • Schwerpunkt 4: Nutzung, Rezeption und Wirkung politischer Krisenkommunikation

    Der vierte Themenblock bietet Raum für Auseinandersetzungen damit, wie politische Krisenkommunikation von Rezipienten genutzt, wahrgenommen und verarbeitet wird. Hier stellt sich u.a. die Frage, über welche Kanäle sich Rezipienten über akute oder längerfristige Krisen informieren. Aus Perspektive der Rezeptionsforschung lässt sich fragen, ob Kommunikation über Krisen von den Rezipienten anders wahrgenommen wird als Kommunikation über andere politische Themen. Legen Rezipienten an politische Krisenkommunikation beispielsweise andere Bewertungsmassstäbe an? Auch die unterschiedlichen Bedingungen der Rezeption von politischer Krisenkommunikation sollen berücksichtigt werden. Unter solche Bedingungen ist zum Beispiel die individuelle Betroffenheit von einer Krise zu fassen, die die Wirkung politischer Krisenkommunikation beeinflussen kann. Auch die Zusammenhänge weiterer zentraler Variablen wie politisches Wissen, politische Partizipation oder Selbstwirksamkeit mit der Rezeption und Wirkung von politischer Kommunikation in und über Krisen gilt es zu spezifizieren. Beiträge, die sich mit Zusammenhängen zwischen Krisenkommunikation und potenziellen Vertrauensverlusten in Politik und Medien seitens der Rezipienten widmen, sind ebenfalls willkommen.

  • Schwerpunkt 5: Method(olog)ische Herausforderung bei der Analyse politischer Krisenkommunikation

    Die Bestimmung, was eine Krise aus Sicht politischer Kommunikation ist, bringt methodische Herausforderungen mit sich. Wie wird eine Krise in der politischen Kommunikationsforschung methodisch gefasst? Welche Methoden eignen sich, um den spezifischen Charakter politischer Kommunikation in und über Krisen zu analysieren? Gerade Methoden, die die Dynamik politischer Krisenkommunikation zu fassen versuchen sowie Methoden zur Analyse der Interaktion zwischen den unterschiedlichen Akteuren in Krisensituationen sind von Relevanz.

  • Offenes Panel

    Innovative Beiträge aus dem Bereich der Politischen Kommunikation oder Kommunikationspolitik abseits des Tagungsthemas können ebenfalls eingereicht werden. Die eingereichten Beiträge sollten sich durch eine besondere Relevanz oder einen speziellen Neuigkeitswert für die Forschung zur Politischen Kommunikation oder Kommunikationspolitik auszeichnen. Vorschläge für das offene Panel müssen speziell gekennzeichnet sein und werden gesondert begutachtet.